Freitag, 25. April 2014

Sozialstandards für Unternehmen: Wirkungsvolle Medizin oder nur ein Placebo?



In den letzten rund zehn Jahren entstanden zahlreiche Sozialstandards, welche die Unternehmen dabei unterstützen sollen, sozial verantwortungsvoll zu handeln. Die Standards unterscheiden sich teils stark. Sie bieten von einer minimalen Orientierung bis hin zu einer prozessorientierten Unterstützung bei der Implementierung alles. Beispiele sind die eher allgemeinen OECD Guidelines, der spezifischere Standard Social Accountability 8000 aber auch die detaillierte Global Reporting Initiative (GRI).

Die grosse Frage nach über zehn Jahren ist: Was bringt’s? Was ist der Impact, die Wirksamkeit von Sozialstandards, im Sinne ihrer eigenen Ziele? Dieser Frage bin ich mittels einer Untersuchung nachgegangen, und zwar in der Bekleidungsbranche bezüglich Arbeitsrechte.

Konkret habe ich die auch in der Schweiz viele Mitglieder zählenden Sozialstandards Fair Wear Foundation (FWF) und Business SocialCompliance Initiative (BSCI) untersucht. Als Datenmaterial dienten vertrauliche Audit-Reports und Interviews mit Repräsentanten von Unternehmen und NGOs in der Schweiz sowie im Produktionsland China. 

Die Auswertungen zeigen, dass FWF und BSCI tatsächlich zur Verbesserung der Arbeitsrechtssituation in China beitrugen, zumindest in gewissen Bereichen. Dazu gehörten v.a. Bereiche, die einfach messbar sind (z.B. Health and Safety), sowie solche, die supplementär zu den eigenlichten Arbeitsrechten sind (z.B. das Bewusstsein um die Existenz der Arbeitsrechte). Schlechter war es in Bereichen, die mittels Fabrik-Audits (diese sind das eigentliche Kernelement zur Überprüfung des Implementierungserfolgs) kaum erkennbar sind, z.B. Versammlungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen oder der Existenzlohn, welcher soziale und kulturelle Teilhabe ermöglichen soll. Zwar fanden auch hier manchmal Verbesserungen statt, absolut verharrten sie aber auf tiefem Niveau.

Das Hauptproblem beim Existenzlohn, welcher von FWF gefordert wird (nicht aber von BSCI), war, dass zu diesem eine klare Definition fehlt. Im Prinzip müsste wohl gelten Minimallohn = Existenzlohn, und zwar gesetzlich.

Bezüglich der Versammlungsfreiheit und dem Recht auf Kollektivverhandlungen wirkte sich die konsequente Einforderung dieser Rechte, wie von FWF verlangt, wenigstens z.T. positiv aus. Ein weiterer positiver Faktor bei diesen Rechten ist wohl die starke Einbindung des Mitgliedsunternehmens bei der Implementierung, wie sie FWF verlangt.

Diese Einbindung führte zu häufigeren Interaktionen zwischen Fabrik und Mitglied was half, das Problem des Momentaufnahmen-Charakters von Audits zu verringern. Zudem wirkte die Implementierung nicht mehr so stark von Aussen aufoktroyiert wie durch externe Audits alleine.

Überhaupt legt die Untersuchung nahe, dass verschiedene Kooperations- und Austauschformen zwischen Stakeholdern einer wirksamen Implementierung förderlich sind. So können sich z.B. Mitgliedsunternehmen untereinander oder auch mit NGOs an dafür arrangierten Treffen austauschen. Dadurch werden nicht nur die implementierungsrelevanten Kompetenzen erhöht, sondern auch die gegenseitige Akzeptanz (v.a. Unternehmen – NGOs). FWF und BSCI tun hier einiges, es besteht in diesem Bereich aber für beide noch viel Potenzial.

Über alles hat die Studie gezeigt, dass es möglich ist, Systeme zur Analyse der Wirksamkeit von Sozialstandards zu erstellen. Die Aussagekraft hängt dabei allerdings auch von der Güte der Daten ab, die meist nicht zum Zweck einer solchen Analyse erstellt wurden.

Das Fazit zu den Resultaten lautet: Die Standards FWF und BSCI sind kein Placebo, sondern eine Medizin, die zwar wirkt, aber eben (noch lange) nicht bei allen Beschwerden.

Claude Meier

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen