Mittwoch, 1. April 2015

Die dunkle Seite der Diversität

Die Entlohnung des Topmanagements von börsenkotierten Unternehmungen trägt dazu bei, den positiv konnotierten Begriff der Diversität in der Arbeitswelt in Frage zu stellen. Wieso sind zweistellige Millionenbezüge spezifischer Personen gerechtfertigt? Die Konsequenzen wiegen schwer: Eine zu grosse Diversität in der Einkommensverteilung einer Gesellschaft führt sowohl zu einer gegenseitigen Entfremdung als auch zu einer tieferen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.


 

Diversität?


Durch die Leistungsfähigkeit von heterogen zusammengesetzten Teams ist der Begriff der Diversität in der Arbeitswelt meist positiv konnotiert. Auf weniger Begeisterung stösst jedoch eine zu akzentuierte Diversität in der Einkommensverteilung. Zu akzentuierte Ausreisser nach oben werden von der Gesellschaft als unfair betrachtet. Beispiele? Bitteschön: Steven Newman (Transocean): 14 Millionen CHF, Joseph Jimenez (Novartis): 13 Millionen CHF, Sergio Ermotti (UBS): 11 Millionen CHF.


Diversität? Naja…


Nun kann man einwenden, dass CEOs von grossen börsenkotierten Unternehmen Ausnahmen sind. Dies mag sein, jedoch liegt das Problem der Einkommensdiversität tiefer. Die OECD hat herausgefunden, dass die Haushaltseinkommen ihrer Mitgliedsländer für die Jahre 1995 – 2011 in allen Einkommensgruppen gewachsen sind. Beispiele? Bitteschön: Das Haushaltseinkommen der Mittellosen stieg jährlich um 0.05 Prozent, dasjenige des Mittelstandes um 0.59 Prozent, und die Wohlhabenden verdienten 1.01 Prozent mehr. Die OECD bemerkt treffend: Das grösste Stück vom Kuchen bekamen diejenigen, welche schon viel Torte haben.


Diversität? Lieber nicht…


Aus einer ethischen Perspektive  erscheint eine zu hohe Einkommensdiversität als unfair. Die Epidemiologen Richard Wilkinson und Kate Pickett haben in ihrem Buch „The Spirit Level“ jedoch eine instrumentelle Betrachtungsweise herangezogen. Sie zeigen eindrücklich auf, dass das Ausmass der Einkommensdiversität die Unterschiede in den sozialen und gesundheitlichen Problemen von Ländern erklärt. Nicht die Höhe des Durchschnittseinkommens in einem Land ist entscheidend, sondern wie dieses Einkommen verteilt ist. Kurz gesagt: Eine tiefere Einkommensdiversität führt zu einem stärkerem sozialen Zusammenhalt und zu einer besseren Gesundheit. Beispiele? Bitteschön: Eine höhere Einkommensdiversität geht einher mit Fettleibigkeit, Drogenkonsum, Selbstmordrate, aber auch mit einer tieferen Lebenserwartung, Innovation, Recyclingrate, Entwicklungshilfe,…


Erklärungsansätze und Empfehlungen


Ein Erklärungsansatz für diese Ergebnisse beruht darin, dass eine hohe Einkommensdiversität den sozialen Zusammenhalt in einer Gesellschaft reduziert. Das Engagement in sozialen Netzwerken sowie das Ausmass an gegenseitigem Vertrauen und Empathie sind verringert. Was folgt ist ein permanenter Vergleich des sozialen Status von Menschen in einer sich entfremdenden Gesellschaft. Dabei gibt es (bis auf die wenigen Superreichen und –mächtigen) nur Verliererinnen und Verlierer. Der durch den Vergleich nach oben ausgelöste Stress führt dann zu den beschriebenen negativen Konsequenzen einer hohen Einkommensdiversität.

Wilkinson und Pickett empfehlen unter anderem die folgenden Massnahmen zur Reduktion der Einkommensdiversität. Einerseits hat der Staat die Möglichkeit über die Gestaltung des Steuersatzes regulierend einzugreifen. Weiter kann die Ausgestaltung der Entlohnung im öffentlichen Sektor als Rollenmodell für den privaten Sektor dienen. Und schliesslich propagieren die Autoren eine Demokratisierung der Unternehmenswelt, in welcher Unternehmen von ihren Mitarbeitenden besessen und geführt werden. Weitere interessante Überlegungen sind auf der Homepage der Autoren zu finden.

Konklusion aus der Stakeholder Perspektive
  • Das Engagement von Menschen in sozialen Netzwerken führt zu tieferen sozialen und gesundheitlichen Problemen
  • Sind Unternehmen im Besitz der Mitarbeitenden, kann die Einkommensdiversität direkt beeinflusst werden

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