Mittwoch, 26. November 2014

Wer verantwortet die Unternehmungskultur der Banken?

Die grosse Bedeutung einer Unternehmungskultur für das Handeln des Managements und der Mitarbeitenden wie auch für den Erfolg von Organisationen aller Art ist aufgrund der umfangreichen Forschung der letzten 30 Jahre (1) kaum noch umstritten. Seither nimmt die Unternehmungskultur neben der Entwicklung und Umsetzung der Strategie und der Ausgestaltung der Corporate Governance einen prominenten Platz in der Managementliteratur ein.

Gerade in der heutigen Zeit des vielfältigen Wandels sind jedoch neue, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse im Bereich der Unternehmungskultur wieder sehr notwendig, da in der Gesellschaft ethisches Verhalten von Unternehmungen immer häufiger thematisiert wird. Wie der Tagesanzeiger vom 20.11.2014 und die NZZ am Sonntag vom 23.11.2014 berichten, hat ein Team von drei Wissenschaftlern unter der Leitung von Prof. Ernst Fehr an der Universität Zürich neue Experimente zur Frage des ethischen oder unethischen Verhaltens von Mitarbeitenden und dessen Bezug zur Unternehmungskultur in Banken durchgeführt(2). Dieses Team hat experimentell untersucht, inwiefern Bankenmitarbeitende zu betrügerischen Handlungen neigen. Ihr Verhalten wurde dabei mit demjenigen von Mitarbeitenden anderer Wirtschaftsbereiche verglichen. Während das Verhalten der Mitarbeitenden anderer Wirtschaftsbereiche im privaten und beruflichen Kontext bezüglich betrügerischem Verhalten etwa gleich war, konnte bei den Bankmitarbeitenden ein deutlicher Unterschied festgestellt werden: Bankangestellte, die in ihrem Privatleben kein betrügerisches Verhalten zeigten, verhielten sich anders, wenn sie in ihre berufliche Rolle versetzt wurden. Durch die Experimentanlage konnte auch gezeigt werden, dass dieses unterschiedliche Verhalten nicht auf die spezifische Art des Bankengeschäftes sondern auf die in den Banken herrschende Unternehmungskultur zurückgeführt werden kann.

Angesichts dieser Bedeutung der Unternehmungskultur in Banken drängt sich sofort die Frage auf, wer denn für die dort herrschende Unternehmungskultur verantwortlich sei, wie sie entstanden sei und wer sie mitgestaltet habe. Die Antwort ist keinesfalls einfach, da zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass eine Unternehmungskultur das Resultat komplexer Einflussfaktoren ist. Unter anderem werden die Kultur des gesellschaftlichen Umfeldes, die Besonderheiten einer Branche, die Erfahrungen der Mitarbeitenden mit prägenden Schockwellen in der Firmengeschichte oder gelungene bzw. misslungene Projekte als Einflussgrössen genannt.

Von besonderer Bedeutung ist aber, dass eine Unternehmungskultur auch durch das Management geprägt wird; etwa durch den Umgang der Führungskräfte mit verschiedenen Stakeholdern wie Mitarbeitenden, Kunden und Eigentümern (3). Bedeutsam für die Unternehmungskultur ist auch, welche Prioritäten die Manager bei den Zielvorgaben setzen, welche Messgrössen sie verwenden um Leistungen zu beurteilen und wie und wen sie kontrollieren. Ferner sind die Auswahl der Führungskräfte und die Beförderungspolitik wichtig, da sie zeigt, welche Art von Menschen als tüchtig angesehen werden. Nicht zu vergessen ist in den Banken das System der Verteilung von Boni, weil es wiederspiegelt, welche Leistungen einen hohen Stellenwert geniessen.

Wenn man das alles bedenkt, so wird klar, dass das Management zumindest eine Mitverantwortung für die Kultur in seinem Zuständigkeitsbereich trägt. Bankmanager hätten demnach die betrügerische Kultur mitgeprägt, die Fehr und sein Team in ihrer Untersuchung feststellen. Sie hätten sie damit zumindest in einem gewissen Umfange auch zu verantworten. Und wenn die heute offenbar wenig ethisch ausgerichtete Bankenkultur verändert werden soll, so sind diese Führungskräfte in erster Linie aufgerufen, einen solchen Wandel aktiv anzugehen. Die bis anhin verschärften Kontrollmassnahmen wie auch die eingesetzten Risikokomitees sind diesbezüglich offensichtlich wenig wirksam. Niemand wird einen Wertedrill verlangen. Vielmehr ist das Management aufgefordert, seine Vorbildfunktion wahrzunehmen und die gewünschte Werthaltung zweifelsfrei vorzuleben.


(1) Vgl. dazu Deal,T.E., Kennedy,A., Corporate Cultures -The Rites and Rituals of Corporate Life (1982), Peters, T.J. ,Waterman, R.H., Auf der Suche nach Spitzenleistungen(1983), Schein,E.H., Organisational Culture and Leadership (1985)

(2) Die Resultate der Studie von Fehr und seinem Team werden in der Zeitschrift Nature unter dem Titel "A Culture of Cheating? Honesty and Business Culture in the Banking Industry" publiziert.
(3) Jones, T. M., Felps, W. & Bigley, G. A. (2007): Ethical Theory and Stakeholder-Related Decisions: The Role of Stakeholder Culture, Academy of Management Review, 32(1): 137-155.

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