Freitag, 4. Juli 2014

Serie Gipfelikonferenz: Retailbranche - Leadership 3.0

Das Forschungsprojekt der HWZ befasst sich damit, das Leadership-Verständnis von Firmen und Stakeholdern bei ihrer gemeinsamen Wertschöpfung in einer wissensbasierten und vernetzten Gesellschaft vertieft zu erforschen. Im Sinne des Netzwerkgedankens als zentralem Aspekt eines zukünftigen Leadership-Verständnisses soll auch das Forschungsprojekt auf ein breites Netzwerk abgestützt werden. In Ergänzung zu den HWZ-internen Kompetenzzentren wird ein intensiver Austausch mit weiteren Stakeholdern gesucht. Mit den Leadership 3.0 – Gipfelikonferenzen wird den Führungspersonen der einzelnen Branchen einerseits eine Möglichkeit zum Austausch gegeben. Andererseits erhoffen wir uns wichtige Anregungen für die Leadership 3.0 zu bekommen.


Die aktuellen Herausforderungen der Retailbranche schienen uns ideal, um die Diskussion mit den Führungskräften von Migros, Coop, Denner und Globus in einer ersten Gipfelikonferenz zu starten. Ursula Nold (MGB), Nadine Gembler (Coop), Luciano Ponti (Globus), Luc Pillard (Coop) und Serge Gafner (Denner) haben sich die Zeit genommen, mit uns über die folgenden Grundfragen zu diskutieren:
  • Welche strategischen Herausforderungen gibt es in der Retail-Branche?
  • Welche Leadership-Anforderungen müssen im Rahmen dieser strategischen Herausforderungen erfüllt werden?
  • Wie ist der eigene Umgang mit diesen beiden Themen?

Auf Grund der Zusammensetzung der Round Table-TeilnehmerInnen treffen viele der nachfolgenden Feststellungen vor allem für den filialisierten Lebensmittelhandel im mittleren und tieferen Preissegment zu, für das Segment der (Premium-)Warenhäuser sind sie nicht immer passend.

Strategischen Herausforderungen in der Retail-Branche: Welche Innovationen haben den Detailhandelsmarkt in den letzten Jahren bewegt? Coop Naturaplan und das Online-Portal Le Shop wurden genannt oder die immer erfolgreichere Expansion in den Schweizer Markt von Aldi und Lidl. Die Entwicklung im Online-Handel (Omni Channel Retailing) führen tatsächlich zu fundamentalen Veränderungen im Geschäftsmodell. Jedoch war man sich einig, dass viele andere technische Entwicklungen am Geschäftsmodell des Detailhandels nichts Wesentliches verändert haben. Im Retail gilt die Devise: Trends statt Innovationen nutzen. Das Businessmodel im Detailhandel ist seit jeher dasselbe: Das kurzfristige Kundenkaufverhalten steht im Mittelpunkt. Kunden können wählen, was sie wann, wo, in welcher Qualität und in welcher Menge einkaufen möchten. Kunden schätzen im Spezialgeschäft eine kompetente Beratung durch gut ausgebildetes Personal. Dank Internet haben sie die Möglichkeit, die Ware da zu kaufen, wo sie am billigsten angeboten wird.

Beratung ist auf Grund der sich verändernden Altersstruktur ein wichtiger Bestandteil. Jedoch erlebt auch der Detailhandel, dass sich Kunden im Geschäft beraten lassen, um das Produkt dann billig im Onlinehandel zu erwerben. Für den Retail eröffnet sich damit ein Spannungsfeld, in welchem er einerseits der Kundschaft günstige Preise anbieten und gleichzeitig dem internen Kostendruck standhalten muss.

Leadership Herausforderungen in der Retail-Branche: Der Detailhandel hat einen tiefen Anteil an hochqualifizierten Mitarbeitenden und ist bei diesen daher auch nicht Arbeitgeber erster Wahl. Dafür bietet der Detailhandel vielen Personen, die keine Berufsausbildung haben, eine Jobmöglichkeit.

Die wirtschaftliche Entwicklung im Detailhandel führt dazu, dass Einsparungen besonders auch im Personalbereich notwendig sind. Von diesen Einsparungen betroffen sind oftmals auch schwach qualifizierte Mitarbeitende – darunter auch viele Frauen. Diese Entwicklung ist für die Attraktivität als Arbeitgeber eine Herausforderung.

Der Retail hat aber eine wichtige gesellschaftspolitische Rolle übernommen. Die Branche beschäftigt viele Personen mit und ohne Migrationshintergrund, sowie viele Personen ohne Grundbildung. Sie investiert daher viel in Aus- und Weiterbildungen, fördert die Personen aus den eigenen Reihen für Führungsaufgaben und bietet damit den Menschen eine Perspektive im Arbeitsmarkt.

Eigener Umgang mit den Herausforderungen: Die Diskussion drehte sich immer wieder darum, woran gute Führungskräfte gemessen werden. Ist die Führungsperson gut, wenn sie gute Zahlen bringt oder ist es eine gute Führungsperson, wenn die Mitarbeitenden zufrieden sind? Schliesst das eine das andere aus?

Sehr schnell wurde klar, gute Chefs sind darum gute Chefs, weil sie ihren Mitarbeitenden Wertschätzung entgegenbringen, weil sie sich kümmern, weil sie ihren Mitarbeitenden den Sinn ihrer Arbeit vermitteln können. Zufriedene Mitarbeitende arbeiten motivierter, gehen engagierter auf Kundenwünsche ein. Zufriedene Kunden generieren mehr Umsatz. „Eine schlecht performende Filiale wird mit einem guten Chef schnell eine gut performende Filiale“ - eine der zentralen Aussagen.

Immer wieder wurde auch das Spannungsfeld der Kundenwünsche versus Kostendruck erwähnt. Das stellt hohe Anforderungen an die organisatorischen und die sozialen Kompetenzen der Führungskräfte. Heute reicht es nicht mehr, wenn man als FilialleiterIn viel „krampft“. Dank neuen Technologien müssen die FilalleiterInnen viel mehr Zahlen interpretieren und schneller darauf reagieren. Personalkosten spielen dabei eine zentrale Rolle. Aufgrund des steigenden Drucks auf die Personalkosten wird von den Führungskräften gute Planung und Organisation gefordert.

Ein weiteres Problem ist die Rekrutierung der Nachwuchskräfte in der Zentrale. Immer häufiger müssen branchenunerfahrene Personen mit Studium für Stellen wie z.B. Verkaufsleiter, Einkaufsleiter oder ähnliches eingestellt werden. Die Durchlässigkeit vom internen Nachwuchs in die Zentrale kann aufgrund der tiefen Grundbildung immer weniger sichergestellt werden.

Die  Detailhandelsfirmen versuchen trotz anspruchsvollem Umfeld, die Mitarbeitenden fair und verantwortungsbewusst zu behandeln, und investieren viel in die Führungskräfteentwicklung. Die anwesenden HR-Personen gehen mit gutem Beispiel voran. Sie suchen immer wieder das Gespräch mit ihren Geschäftsführern, pflegen die Beziehungen, versuchen die Wertschätzung zu vermitteln und die Führungskräfte bei Fragen rund um das  Personalmanagement zu unterstützen. Der Detailhandel ist im Leadershipbereich die New Economy – Alte Werte werden hier noch gepflegt.

Gabriella Signer, Matthias Mölleney & Sybille Sachs 


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