Mittwoch, 14. Januar 2015

Kontrolle oder Vertrauen – was ist besser? Die Vertrauensarbeitszeit.

Die Vertrauensarbeitszeit ist als neues Arbeitszeitmodell auf dem Vormarsch. Das Konzept funktioniert aber nicht ohne Voraussetzungen.

 

In seinem Blogbeitrag der letzten Woche widmete sich Thomas Scheider einer Analyse der Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Schweizer Detailhandel. Ein in diesem Zusammenhang an Popularität gewinnendes Konzept, das den Arbeitnehmenden mehr Flexibilität einräumt, ist die sogenannte Vertrauensarbeitszeit: Mitarbeitende erfassen ihre Arbeitszeit nicht mehr per Chipkarte oder Computersystem, sondern entscheiden selbst, wieviel sie wann und wo arbeiten.
Arbeitnehmende und Arbeitgebende vereinbaren anstelle einer festen Arbeitszeit eine Reihe von zu erreichenden Zielen, deren Erreichung die Grundlage der Bezahlung der Mitarbeitenden bildet und nicht wie bisher die Dauer ihrer Anwesenheit. Ein solch modernes Arbeitszeitkonzept hat wie jedes andere Modell seine Vor- und auch Nachteile.

Flexibilität, Effektivität und Innovation bei der Vertrauensarbeitszeit

Zweifelsohne wird Arbeitnehmenden mehr Flexibilität und Entscheidungsfreiheit über die eigene Arbeitszeit und Arbeitsweise eingeräumt, was besonders junge Mitarbeitende heute zunehmend nachfragen. Darüber hinaus verschiebt sich durch die Vertrauensarbeitszeit das Augenmerk von der schlichten Präsenz am Arbeitsplatz auf die tatsächlichen Ergebnisse der Arbeit. Dies belohnt effektive Mitarbeitende anstelle der „Präsenzzeiger“ am Arbeitsplatz. Eine Studie des Weltwirtschaftsinstituts in Kiel kommt ausserdem zum Schluss, dass Unternehmen mit Vertrauensarbeitszeit innovativer sind. In der Untersuchung von über 5‘000 deutschen Firmen wiesen die Betriebe, die das neue Arbeitszeitmodell eingeführt haben, eine 11 bis 14 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit auf, ihre Produkte zu verbessern. Die Vorteile der Vertrauensarbeitszeit kommen folglich mehreren Stakeholdergruppen zugute: Arbeitnehmenden (mehr Flexibilität), Kunden (bessere Produkte) und Eigentümern (höhere Rendite durch gesteigerte Innovationsfähigkeit).

Gefahren der Ausbeutung und Überlastung

Auf der Kehrseite besteht die Gefahr, dass sich Mitarbeitende im neuen Modell selbst ausbeuten oder von ihren Vorgesetzten durch unrealistische Zielvereinbarungen ausgebeutet werden. Geht im Projekt etwas schief respektive entsteht dem Arbeitnehmenden unverschuldet oder unerwartet Mehrarbeit, kann sich der Chef auf die getroffene Zielvereinbarung berufen und den Mehraufwand einfordern. Zudem ist die Vertrauensarbeit mit dem unmittelbaren Risiko verbunden, dass das Gefühl für die eigene Arbeitszeit und etwaige Überstunden verloren geht und die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen. Es kann zu einer Überlastung des Arbeitnehmenden kommen, die gesundheitsschädigende Folgen mit sich bringt.

Vertrauensverhältnis ist Voraussetzung

Ein funktionierendes Vertrauensarbeitszeitmodell setzt folglich voraus, dass zwischen dem Unternehmen und seinen Mitarbeitenden ein Vertrauensverhältnis besteht, damit beide Seiten realistische Einschätzungen zu den Zielen und zum Aufwand kommunizieren und nicht versuchen den jeweils anderen auszunutzen. Vor allem der Vorgesetzte muss über entsprechende Führungsqualifikation verfügen, um Projekte abschätzen sowie seine Arbeitnehmenden zu unterstützen und vor (Selbst-)Ausbeutung schützen zu können.


Konklusion aus der Stakeholder Perspektive

  • Gesteigertes Vertrauen im Verhältnis zwischen Unternehmen und Stakeholdern (in dem Fall Mitarbeitenden) kann zu Vorteilen für beide Parteien führen.
  • Damit Unternehmen und Stakeholder die Vorteile der Vertrauensarbeitszeit realisieren können, muss neben einem Vertrauensverhältnis zwischen beiden Parteien aufseiten des Unternehmens eine entsprechende Führungsqualifikation vorhanden sein. 

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