Mittwoch, 4. März 2015

Je mehr Markt, desto effizienter?


Vor einem Jahr musste der britische Privatspital-Konzern Circle ein zuvor privatisiertes Spital an den nationalen Gesundheitsdienst zurückgeben. Die Manager hatten es nicht geschafft, die Gewinnerwartungen der Shareholder zu erfüllen und gleichzeitig eine akzeptable medizinische Qualität sicherzustellen. Fälle wie dieser halten die Diskussion um Markt und Staat im Gesundheitswesen am Laufen, obwohl man in der Schweiz den Eindruck bekommen kann, die Frage sei längst entschieden: Mehr Wettbewerb fördere Qualität und Wirtschaftlichkeit, lassen sich die Gesundheitsökonomen (fast) unisono vernehmen. Doch die Gesundheitsversorgung ist kein Supermarkt. Hier gelten andere Regeln als in der übrigen Wirtschaft, und es ist alles andere als eindeutig, wie viel Markt und wie viel Staat für die Spitäler gut ist.

Die 2012 eingeführte Finanzierung über Fallkostenpausschalen setzt die Spitäler in mancher Hinsicht einem verstärkten Wettbewerb aus. Dies führt zwar (noch) selten zum Verschwinden unwirtschaftlicher Spitäler, aber zu Änderungen in den Rechtsformen: Kantons- oder Gemeindespitäler werden zunehmend verselbstständigt oder in Aktiengesellschaften umgewandelt. Es gibt Kantonsregierungen, die sich lieber heute als morgen aus der Verantwortung für die Spitalbetriebe zurückziehen würden, während andere die Kontrolle behalten möchten, als Spitalbetreiber oder als Aktionäre. Doch welchen Einfluss haben die Besitzverhältnisse und die Rechtsform auf die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Spitalleistungen? Dazu haben viele etwas zu sagen, aber Fakten gibt es so gut wie keine.

Die Beratungsfirma Polynomics erstellte 2013 im Auftrag von comparis.ch ein Rating über die Wettbewerbsfreundlichkeit der kantonalen Spitalregulierungen. Die Prämisse lautete auch hier, dass die Spitalversorgung umso besser und kostengünstiger funktioniere, je mehr sich die Kantone aus den Betrieben heraus hielten. Ob diese These zutrifft und inwiefern mehr Wettbewerb die Spitallandschaft auf positive Weise verändert, erläuterten die Autoren nicht weiter. Es gibt keine entsprechenden Untersuchungen für die Schweiz. Ausländische Studien lassen eher auf einen negativen Einfluss von Wettbewerb auf die Qualität der Spitalversorgung schliessen, insbesondere dann, wenn private Spitäler gewinnorientiert arbeiten und zuerst den Shareholdern verpflichtet sind. Eine Metaanalyse zum Forschungsstand in diesen Fragen ist zurzeit in Arbeit.

Die meisten von uns möchten lieber nicht ins Spital gehen. Wenn es dann doch einmal passiert, sind wir normalerweise gut aufgehoben. Als Patientinnen spüren wir wenig davon, wie der wirtschaftliche Druck auf die Spitäler zunimmt. Das Personal sucht vor uns die Zeitnot zu verbergen, unter der es leidet. Wie eine FMH-Studie zu den Auswirkungen der neuen Spitalfinanzierung zeigt, verlagern Ärztinnen zunehmend administrative Arbeiten in die Freizeit, um sich weiterhin den Patienten widmen zu können. Bevor wir unsere gut funktionierenden Spitäler dem „freien Markt“ aussetzen, sollten wir unbedingt mehr darüber wissen, wie sich Wettbewerb und Privatisierung auf die Versorgungsqualität auswirken. Sonst könne uns der vermeintliche Effizienzgewinn teuer zu stehen kommen.

Anna Sax
www.oekonomin.ch

 

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