In den letzten rund zehn Jahren entstanden zahlreiche Sozialstandards,
welche die Unternehmen dabei unterstützen sollen, sozial verantwortungsvoll zu
handeln. Die Standards unterscheiden sich teils stark. Sie bieten von einer
minimalen Orientierung bis hin zu einer prozessorientierten
Unterstützung bei der Implementierung alles. Beispiele sind die eher allgemeinen
OECD Guidelines, der spezifischere Standard Social Accountability 8000 aber
auch die detaillierte Global Reporting Initiative (GRI).
Die grosse Frage nach über zehn Jahren ist: Was bringt’s? Was ist
der Impact, die Wirksamkeit von Sozialstandards, im Sinne ihrer eigenen Ziele? Dieser
Frage bin ich mittels einer Untersuchung nachgegangen, und zwar in der
Bekleidungsbranche bezüglich Arbeitsrechte.
Konkret habe ich die auch in der Schweiz viele Mitglieder zählenden Sozialstandards Fair Wear Foundation (FWF) und Business SocialCompliance Initiative (BSCI) untersucht. Als Datenmaterial dienten vertrauliche Audit-Reports und Interviews mit Repräsentanten von Unternehmen und NGOs in der Schweiz sowie im Produktionsland China.
Die Auswertungen zeigen, dass FWF und BSCI tatsächlich zur Verbesserung
der Arbeitsrechtssituation in China beitrugen, zumindest in gewissen Bereichen.
Dazu gehörten v.a. Bereiche, die einfach messbar sind (z.B. Health
and Safety), sowie solche, die supplementär zu den eigenlichten Arbeitsrechten sind
(z.B. das Bewusstsein um die Existenz der Arbeitsrechte). Schlechter war es in
Bereichen, die mittels Fabrik-Audits (diese sind das eigentliche Kernelement
zur Überprüfung des Implementierungserfolgs) kaum erkennbar sind, z.B.
Versammlungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen oder der
Existenzlohn, welcher soziale und kulturelle Teilhabe ermöglichen soll. Zwar
fanden auch hier manchmal Verbesserungen statt, absolut verharrten sie aber auf
tiefem Niveau.
Das Hauptproblem beim Existenzlohn, welcher von FWF gefordert wird
(nicht aber von BSCI), war, dass zu diesem eine klare Definition fehlt. Im
Prinzip müsste wohl gelten Minimallohn = Existenzlohn, und zwar gesetzlich.
Bezüglich der Versammlungsfreiheit und dem Recht auf
Kollektivverhandlungen wirkte sich die konsequente Einforderung dieser Rechte,
wie von FWF verlangt, wenigstens z.T. positiv aus. Ein weiterer positiver Faktor
bei diesen Rechten ist wohl die starke Einbindung des Mitgliedsunternehmens bei
der Implementierung, wie sie FWF verlangt.
Diese Einbindung führte zu häufigeren Interaktionen zwischen Fabrik
und Mitglied was half, das Problem des Momentaufnahmen-Charakters von Audits zu
verringern. Zudem wirkte die Implementierung nicht mehr so stark von Aussen
aufoktroyiert wie durch externe Audits alleine.
Überhaupt legt die Untersuchung nahe, dass verschiedene
Kooperations- und Austauschformen zwischen Stakeholdern einer wirksamen
Implementierung förderlich sind. So können sich z.B. Mitgliedsunternehmen untereinander
oder auch mit NGOs an dafür arrangierten Treffen austauschen. Dadurch werden
nicht nur die implementierungsrelevanten Kompetenzen erhöht, sondern auch die
gegenseitige Akzeptanz (v.a. Unternehmen – NGOs). FWF und BSCI tun hier einiges, es besteht in
diesem Bereich aber für beide noch viel Potenzial.
Über alles hat die Studie gezeigt, dass es möglich ist, Systeme
zur Analyse der Wirksamkeit von Sozialstandards zu erstellen. Die Aussagekraft
hängt dabei allerdings auch von der Güte der Daten ab, die meist nicht zum
Zweck einer solchen Analyse erstellt wurden.
Das Fazit zu den Resultaten lautet: Die Standards FWF und BSCI sind
kein Placebo, sondern eine Medizin, die zwar wirkt, aber eben (noch lange) nicht
bei allen Beschwerden.
Claude Meier
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