Ob spontaner Wochenendausflug in die herrlichen Berge um den
Chef zu vergessen oder die langersehnte Überseereise zu den bunten Korallenriffen
um den Geist auszulüften, Reisen ist für viele Wohlstandsbürger der Schweiz zu
einem Selbstverständnis geworden wie der Dessert nach einem gemütlichen Abendmahl.
Aber Reisen, wie auch (zu viele) Desserts, hinterlassen bekanntlich unerwünschte
Spuren, auch wenn diese nicht immer unmittelbar erkennbar sind.
Es wird prognostiziert, dass bis zum Jahr 2020 rund 45% aller Treibhausemissionen in der Schweiz durch den Verkehr verursacht werden, wobei dem Flugverkehr mit 24% mehr als die Hälfte von dessen zuzuschreiben ist. Nun schlägt bereits ein einziger Flug Zürich-New York retour mit 2‘345 Tonnen CO2 zu Buche, was einer grösseren Menge Treibhausgase entspricht, als einer Person pro Jahr maximal zuzugestehen ist, um den Klimawandel mit all seinen ökologisch heiklen Auswirkungen zu bändigen.
In diesem Kontext ist es bedenkenswert, dass nur rund fünf
Prozent aller Menschen auf der Erde überhaupt je ein Flugzeug bestiegen haben.
Es werden aber vor allem die ärmeren Erdbewohner sein, die am stärksten unter
der durch die Klimaveränderung hervorgebrachte Umweltdegradierung zu leiden
haben. Denn sie verfügen nicht über den gleichen wirtschaftlichen Spielraum und
die technologischen Instrumente, um eine
ökologische Erosion oder gar einen Kollaps abfedern zu könnten.Es wird prognostiziert, dass bis zum Jahr 2020 rund 45% aller Treibhausemissionen in der Schweiz durch den Verkehr verursacht werden, wobei dem Flugverkehr mit 24% mehr als die Hälfte von dessen zuzuschreiben ist. Nun schlägt bereits ein einziger Flug Zürich-New York retour mit 2‘345 Tonnen CO2 zu Buche, was einer grösseren Menge Treibhausgase entspricht, als einer Person pro Jahr maximal zuzugestehen ist, um den Klimawandel mit all seinen ökologisch heiklen Auswirkungen zu bändigen.
Spuren in die Ferne
Erweiterung des Stakeholder Ansatzes
Die Frage stellt sich nun, inwiefern der Stakeholder-Ansatz
wie er an unserem Institut erforscht und gelehrt wird, auch auf die Klimafrage
anwendbar ist. Wenn man einen Stakeholder durch die Tatsache definiert, dass
er, bzw. sie, erstens (1) als ein Subjekt (anstatt ein Objekt) mit einer
inhärenten Würde (zweckunabhängigen Wert an sich) anerkannt wird, und zweitens
(2) an einer Handlung sowohl etwas zu gewinnen wie auch zu verlieren hat, so
müssen alle Menschen auf der Erde, wie auch unser ganzes Erdbiotop, inkl. allen
Tiere und Pflanzen, berücksichtigt werden.
Ferner stellt sich die Frage, ob den zukünftigen
Generationen in diesem Sinne auch Rechnung getragen werden soll. Ist es
angebracht, auch unsere Kinder und Grossenkel gleichberechtigt als Stakeholder
einzubeziehen, auch wenn man noch nicht definitiv wissen kann, wer genau wie
von unserem treibhausgasintensiven Lebensstil betroffen sein wird? Wie ist ein freiwilliger
oder durch staatliche Instanzen erzwungener „Verzicht“ (z.B. maximal eine
Ferienflugreise mit 2‘000 Tonnen CO2 Ausstoss pro Jahr) eines
Stakeholders heute mit dem möglichen
„Verlust“ (z.B. die Gewährleistung einer ausreichenden Nahrungsmittelverfügbarkeit
in Entwicklungsländern) eines Stakeholders morgen
zu vergleichen? Kurz: Wie sind heutige Tatsachen mit prognostizierten
Wahrscheinlichkeiten zu gewichten?
Einfache Antworten gibt es darauf nicht; dennoch wage ich die
Vermutung, dass es für die meisten von uns, wenn wir uns einmal bewusst auf
diese moralische Problematik einlassen, durchaus nicht gleichgültig ist, was
die Konsequenzen unseres Handelns für unsere Nachkommen sind.
Lehren der Klimakonferenz…
Obwohl die Klimakonferenz in Paris summa summarum als ein
Erfolg verbucht wird, ist es dennoch evident, dass der politische Weg zu Reformen
nicht nur holprig, sondern vor allem aber zu langsam ist. In diesem Zusammenhang
können die folgenden Lösungsansätze durchaus sinnvoll sein…
…Gesetzliche
Verordnungen (Quoten,
Plafonds, Verbote)
…Recycling
(Effektivität verbessern, Zugang erweitern)
…Bevölkerungswachstum
bremsen (Ecopop…auf Turbo)
…verleiten aber zu einer Art Entmündigung des einzelnen
Bürgers. Die Eigenverantwortung wird somit an diffuse „staatliche Institutionen“,
„NGOs“, oder „Marktmechanismen“ delegiert. Wir stimmen politisch vielleicht für
„grüne“ Anliegen, Spenden hie und da etwas Geld für ein Ökoprojekt, und gehen
am Wochenende brav „recyceln“. Dennoch schleicht sich die unterschwellige
Botschaft in unsere Psyche: „Ich
kleines Würstchen kann ja alleine nichts
richten, das müssen schon die da oben
hinkriegen!“
Die Erde als Spielplatz: Delikat,
Fragil und Schön (1) !
In der Tat, es liegt wohl in der genetisch bedingten Natur
vom homo sapiens, dass wir eindrucksvolle
Akrobaten im Rationalisieren sind, vor allem wenn es darum geht, unsere
Kognitive Dissonanz (einen als unangenehm empfundenen Gefühlszustand, der
dadurch entsteht, dass ein Mensch mehrere nicht vereinbare – gegensätzliche -
Werte, Meinungen, oder Wünsche zur gleichen Zeit hat) zu mildern. Folgende Dissonanzen
sind uns möglicherweise bisweilen vertraut:
·
Konformität: „Na, wenn die so tolle
Reisen machen, dann darf ich es ja auch…“· Bagatellisieren: „Es ist ja eh nicht so schlimm; dann säumen halt Palmen die Bahnhofstrasse…“
· Ohnmacht: „Meine Selbsteinschränkung ist ja sowieso nur ein winziger Tropfen auf den eh immer heisser werdenden Stein…“
· Gleichgültigkeit: „Nach mir die Sintflut…oder halt die Dürre!“
Dennoch lehrt uns die Geschichte, dass dem Menschen – wie
auch einer ganzen Zivilisation - durchaus das Potential inne liegt, tiefgreifende
und durchdringende Verhaltensnormen zu revidieren: man denke z.B. an die
Sklaverei oder das Patriachat, allesamt mit ihren unappetitlichen Begleiterscheinungen,
Institutionen und Attitüden. Dazu müssen aber die oben im Zusammenhang mit der
Klimakonferenz erläuterten Lenkungsmechanismen mit Verhaltensveränderungen eines
jeden Einzelnen ergänzt werden. Und dazu braucht es Introspektion, eine
Umgestaltung des eigenen Lebensstils und möglicherweise sogar eine Umdeutung
des Lebenssinns.
Es ist realistischer Weise natürlich höchst
unwahrscheinlich, dass sich ausreichend viele Menschen frühzeitig genug für
eine Selbstbeschränkung entscheiden werden, die tatsächlich die Vermeidung der
bereits in Gang gesetzten Klima-Dynamik Einhalt bieten würde. Dennoch muss man
nicht dem Fatalismus anheimfallen, denn bereits eine Verlangsamung dieser Dynamik
bietet eine nicht zu unterschätzende Chance, dass sich einerseits einzelne
Biotope an die neuen klimatischen Bedingungen anpassen können, und anderseits, dass
alternative Energiequellen technisch und auch wirtschaftlich tauglich
erschlossen werden können.
Kognitive Dissonanz: „An inconvenient truth“
Weg vom Erlebniskonsum: ein Plädoyer
für die Einfachheit
In einer Ära, wo der Mensch und die Gesellschaft immer mehr
einer kommerziellen „Verbrauchs-Logik“ unterliegt, stellt sich die bisweilen
schwierig zu beantwortende Frage, ab wann eine Erfahrung als Konsum zu gelten
hat, daher als etwas das rein der Befriedigung des eigenen unmittelbaren Verlangens
dient, und wo sie eine erweiterte Sinnkomponente inne hat. Inwiefern sind
Reisen in ferne Länder, aber z.B. auch kulturelle Veranstaltungen, abenteuerliche
Naturerfahrungen oder sexuelle Erlebnisse, blosse Verbrauchsgüter, und in wie
weit transzendieren sie die ephemere Selbstbefriedigung, um uns als Mensch und
Gesellschaft wirklich weiterzubringen, um uns für das gemeinsame Wohl aller Stakeholder
zu engagieren?
Natürlich müssen - und können - nicht alle unsere Tätigkeiten
immer einen transzendierenden Sinn beinhalten das alle Stakeholder
gleichberechtigt einbezieht. Dennoch können wir uns das nächste Mal wenn uns
die Überseereiselust - oder andere Verlangen – packen, einen Moment innehalten
und uns fragen, ob es nicht eine sanftere Alternative gibt, die Ferien zu
verbringen. Bewusster (wie bisweilen auch vom Leben erzwungener) Verzicht, so
habe ich es öfters bei mir erlebt, löst ungeahnte, kreative Kräfte aus und
befreit vom Joch des „nicht ohne glücklich sein können.“
Hilfreich in diesem Kontext ist möglicherweise die Einsicht,
dass in Zeiten und Weltgegenden wo es keine Möglichkeit gab oder gibt je nach
Wunsch und Laune physisch in die Ferne zu Reisen um somit den Erlebnisdurst
oder die Neugier zu stillen, die Menschen seit jeher andere Wege gefunden haben,
um auf Entdeckungsreise zu gehen und Erfüllung zu erfahren. Zum einen liess man
sich vermutlich vollumfänglicher auf die unzähligen kleinen Details die das tägliche,
gemeinsame Leben und die Natur uns schenken, ein. Zum anderen suchte man in der
psychischen Innenwelt Spannung, Sinn, Heilwerdung und bisweilen Entzücken.
Das Moos-Beet als Sinnquelle
Tropische Korallenriffe sind visuell sicherlich spektakulärer als ein
Moosübersäter Baum. Dennoch ist letzterer eine ganze Welt für sich, woran man
die ganze Fülle des Lebens wortwörtlich hautnah erleben kann. Das intensive Leuchten,
die zierliche, samtige Weichheit, ein kleiner Käfer der seinen Weg darin sucht:
das Wunder, die Entspannung, der Sinn, so realisiere ich dann, liegt vor meinen
Füssen – anmutig, still, erwartungslos.
Und ich bin zutiefst erfüllt und glücklich.
Manuel Dawson
Fragen aus der Stakeholder
Perspektive:
·
Ist der
Stakeholder-Ansatz auf die Klimafrage anwendbar? Wenn ja, welche Stakeholder
sollten einbezogen werden? Sind zukünftige Generationen auch zu
berücksichtigen? Und was ist mit unserem ganzen Erd-Biotop, inkl. alle Tiere
und Pflanzen?
·
Wie sind
die Stakeholder von morgen mit denen von heute zu gewichten, wenn sich die
Konsequenzen der Klimaveränderung nur durch Wahrscheinlichkeiten erörtern und
prognostizieren lassen?
·
Wie nehme
ich mich selbst in diesem Kontext als mit allen Lebewesen – räumlich wie auch
zeitlich - vernetzter Stakeholder wahr, und was könnte ich tun, um meine
Selbstwahrnehmung mit meinem Handeln in Einklang zu bringen?
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